Duell der „Trainerfüchse“

Colin Bell und Dieter Wendling, Cheftrainer der DFB-Pokal-Halbfinal-Konkurrenten 1. FFC Frankfurt und SC Sand, im Doppel-Interview

Es ist das Duell der beiden einzigen noch unbesiegten Mannschaften im deutschen Frauenfußball. Dennoch trennen im Halbfinale des DFB-Pokals den 1. FFC Frankfurt und den SC Sand Welten (Sonntag, 13. April, ab 13 Uhr, live im hr-fernsehen). Die Gäste sind Spitzenreiter der Südstaffel in der 2. Bundesliga. Der Rekordmeister aus Frankfurt hingegen ist auf dem Weg zum nächsten Titel. Eines jedoch vereint die beiden Klubs – sie träumen vom Einzug ins große Endspiel in Köln am 17. Mai (ab 16.30 Uhr). "Wir werden Sand mit großem Respekt begegnen. Dabei haben wir natürlich immer unser großes Ziel im Blick: Wir wollen ins Endspiel einziehen", sagt Frankfurts Trainer Colin Bell (52) im großen DFB.de-Doppelinterview mit Mitarbeiter Sven Winterschladen.

Der Sander Coach Dieter Wendling (59) ist hingegen schon jetzt mit dem Erreichten mehr als zufrieden: „Wir haben mit dem Halbfinaleinzug bereits den Vereinsrekord gebrochen. Für uns ist die ganze Angelegenheit sicher noch eine Nummer höher einzuschätzen." Das bedeutet allerdings nicht, dass der Außenseiter ohne Hoffnung nach Frankfurt reist: „Ich wäre stolz, wenn wir eine Topleistung abrufen können. Und vielleicht hat Frankfurt ja nicht seinen besten Tag. Mal sehen, was dann passiert..."

DFB.de: Herr Bell, Herr Wendling, ein Schritt fehlt noch bis zum Einzug ins Endspiel des DFB-Pokals in Köln. Stehen Sie vor der Erfüllung eines Traums?

Colin Bell: Auf mich trifft das definitiv zu. Für mich persönlich würde ein riesiger Traum Realität werden. Im Männerfußball ist mir das nie gelungen. Als Spieler war ich dreimal in der Hauptrunde des DFB-Pokals. Aber wir sind früh gescheitert. Dennoch hat mich diese einzigartige Atmosphäre immer sofort begeistert. Genauso als Trainer im Frauenbereich. Mit Bad Neuenahr sind wir mal unglücklich nach Elfmeterschießen im Viertelfinale gescheitert. Nun stehe ich erstmals im Halbfinale und möchte nur zu gerne mit dem 1. FFC Frankfurt die Endspiel-Teilnahme realisieren.

Dieter Wendling: Wir haben mit dem Halbfinaleinzug bereits den Vereinsrekord gebrochen. Für uns ist die ganze Angelegenheit sicher noch eine Nummer höher einzuschätzen. Es ist schade, dass wir für diese Vorschlussrunde das denkbar schlechteste Los gezogen haben. Aber egal – wie müssen damit klarkommen. Eine kleine Chance hat man immer.

DFB.de: Ist es aus Ihrer Sicht das leichteste Spiel der Saison?

Wendling: Das Gegenteil ist der Fall. Wir spielen im Grunde gegen die deutsche Nationalmannschaft verstärkt mit einigen internationalen Kräften.

DFB.de: Und aus Ihrer Sicht, Herr Bell?

Bell: Weil Sand ein Zweitligist ist? Nein, nein, davon lassen wir uns nicht blenden. Aus meiner Sicht haben sie bereits jetzt die Qualität eines Erstligisten. Und wer in einem so wichtigen Wettbewerb wie dem DFB-Pokal unter den letzten vier Teams steht, hat es sowieso verdient. Wir werden Sand mit großem Respekt begegnen. Dabei haben wir natürlich immer unser großes Ziel im Blick: Wir wollen ins Endspiel einziehen.

DFB.de: Gehen Sie unter ähnlichen Voraussetzungen in die Partie, Herr Wendling?

Wendling: Wir gehen ganz locker in dieses Aufeinandertreffen und wollen das Halbfinale genießen. Ich wäre stolz, wenn wir eine Topleistung abrufen können. Und vielleicht hat Frankfurt ja nicht seinen besten Tag. Mal sehen, was dann passiert…die Hoffnung stirbt zuletzt.

DFB.de: Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass die beiden einzigen unbesiegten Mannschaften der drei Frauen-Bundesligen aufeinandertreffen?

Bell: Da hatte ich noch gar nicht drauf geachtet. Für eine Mannschaft wird diese Serie dann am Sonntag definitiv zu Ende gehen.

Wendling: Das ist eine schöne Zwischenbilanz, aber überhaupt nicht vergleichbar. Es liegt eine Liga dazwischen. Im Frauenfußball ist das eine ganze Menge.

DFB.de: Wie haben Sie sich auf den Gegner vorbereitet?

Bell: Ich habe mir Sand persönlich angeschaut. Außerdem haben wir ihre Begegnungen zuletzt mehrfach beobachten und analysieren lassen.

Wendling: Ich habe den Kollegen zuletzt bei uns gesehen. Er hätte sich gerne bei mir melden können, dann hätten wir hinterher einen Kaffee trinken können.

DFB.de: Haben Sie Frankfurt denn auch beobachtet?

Wendling: Ja, aber ich war nicht persönlich vor Ort. Ich habe Eurosport eingeschaltet und das 0:0 gegen Leverkusen gesehen.

DFB.de: Mit welcher Erkenntnis?

Wendling: Frankfurt ist das Beste, was im deutschen Frauenfußball zu finden ist. Was ich gegen Leverkusen gesehen habe, hat mich überzeugt. Das ist eine ganz abgezockte Truppe, die wird so schnell nichts aus der Ruhe bringen.

DFB.de: Welche Stärken haben sie beim SC Sand erkannt, Herr Bell?

Bell: Sand hat eine sehr starke Offensive mit einigen Nationalspielerinnen aus verschiedenen Ländern. Zudem mit Patricia Hanebeck eine der besten Mittelfeldspielerinnen in Deutschland. Wir sind also gewarnt.

DFB.de: Über die Favoritenrolle gibt es dennoch keine Diskussion. Oder sehen Sie das anders?

Bell: Nein, dieser Rolle stellen wir uns. Wer Spitzenreiter in der Bundesliga ist, ist in jedem Spiel in der Favoritenrolle. Aber auch das spielt für mich nur eine untergeordnete Rolle. Fußball ist unberechenbar, das habe ich selbst schon so oft erlebt. Das Tolle an diesem begeisternden Sport ist doch, dass alle die gleichen Chancen haben. Jeder kann gewinnen.

DFB.de: Herr Wendling, wie gehen Sie in das Duell? Ausschließlich mit Vorfreude? Oder auch mit Respekt und Nervosität?

Wendling: Wir haben Respekt. Aber wir verspüren keine Nervosität oder gar Angst. Für uns ist es bereits ein riesiger Erfolg, dass wir so weit gekommen sind. Das wollen wir genießen. Und wir wollen natürlich zeigen, was wir drauf haben.



DFB.de: Herr Bell, Sie haben selbst lange den SC Bad Neuenahr trainiert, unter anderem in Duellen gegen den 1. FFC Frankfurt. Können Sie sich in die Lage des Kollegen hineinversetzen?

Bell: Durchaus, ja. Ich glaube nicht, dass er seine Mannschaft zusätzlich motivieren muss. Vor einem Halbfinale im DFB-Pokal läuft das von selbst. Sie werden sich auf unsere Stärken und Schwächen einstellen. Genau das gleiche werden wir auch versuchen. Dann wird die Begegnung am Sonntag angepfiffen, und der Bessere oder der Glücklichere wird gewinnen. So einfach ist das.

DFB.de: Sie sind inzwischen seit fast einem Jahr in Frankfurt. Wie erleben Sie die Zeit?

Bell: Es macht mir eine riesige Freude, hier zu arbeiten. Ich genieße es. Jeden Tag. Ich kann gar nicht glauben, wie schnell die Zeit verflogen ist. Manchmal kommt es mir so vor, als hätte ich hier erst gestern begonnen. Die Zeit war extrem intensiv. Alle sehnen sich nach dem großen Erfolg. Dazu möchte ich meinen Teil beitragen.

DFB.de: Wie gehen Sie mit dem Druck um?

Bell: Ich glaube nicht, dass wir Druck haben. Druck hat man, wenn man nicht weiß, ob man am nächsten Morgen noch zum Training kommen kann. Ob der Verein überhaupt noch existiert. Ob du deine Familie ernähren kannst. So war das teilweise in Bad Neuenahr. Aber nicht hier in Frankfurt. Wir haben die großartige Möglichkeit, dass wir um Titel spielen können. Am Sonntag wollen wir den nächsten Schritt in diese Richtung machen und das Endspiel in Köln erreichen.

DFB.de: Müssen Sie die Mannschaft vor einem Duell mit einem Zweitligisten besonders motivieren?

Bell: Das wird nicht nötig sein. Meinen Spielerinnen geht es genauso wie mir. Wir wollen uns diesen Traum erfüllen. Ich habe ein ganz anderes Problem: Die Vorbereitung auf die Begegnung ist extrem kompliziert. Unsere Philosophie besteht darin, die besten deutschen Spielerinnen im Team zu haben. Das ist einerseits natürlich herausragend. Andererseits aber auch schwierig. In den vergangenen zwei Wochen waren die meisten bei ihren Nationalmannschaften. Der Trainingsplatz war teilweise ziemlich leer. Das ist die Kehrseite der Medaille. Aber auch damit werden wir klarkommen.

DFB.de: Differenzieren Sie zwischen Meisterschaft und DFB-Pokal?

Bell: Ich bin immer heiß, ich will jede Begegnung gewinnen. Egal ob Freundschaftsspiel, Bundesliga oder DFB-Pokal. Diese Mentalität verinnerlichen auch die Spielerinnen. Wir wollen herzerfrischenden Fußball anbieten und damit erfolgreich sein.

Wendling: Nein, überhaupt. Die vergangenen zwei Wochen standen total im Fokus des Frankfurt-Spiels. Danach geht es ganz normal in der Meisterschaft weiter. Dann ist das andere Thema auch wieder erledigt.

DFB.de: Wie sehen Sie die Situation in der Meisterschaft?

Bell: Wir sind Erster, zwei Punkte vor Potsdam. Natürlich hat Turbine eine Partie weniger auf dem Konto. Aber die müssen sie erst mal gewinnen. Uns war von Anfang an klar, dass wir nicht jedes Spiel gewinnen werden und dass es bis zum Ende auf einen spannenden Dreikampf hinausläuft. Denn Wolfsburg ist sicher auch noch in der Verlosung. Es gibt keine Alleingänge mehr. Das ist gut für die Bundesliga, das macht den Frauenfußball derzeit so attraktiv.

Wendling: Bei uns ist es ganz ähnlich. Zumindest in diesem Bereich gibt es Parallelen zwischen den beiden Klubs.

DFB.de: In Ihrer Zweitligastaffel hat sich der erwartete Zweikampf gegen den 1. FC Köln um den Aufstieg entwickelt.

Wendling: Ja. Wir haben drei Punkte Vorsprung und das leicht bessere Torverhältnis. Wir haben also einen kleinen Bonus, mehr aber auch nicht. Es ist unheimlich eng zwischen uns und dem 1. FC Köln. Wahrscheinlich hätten beide Mannschaften den Aufstieg verdient. Aber so ist es nicht. Einer wird am Ende das Nachsehen haben.

DFB.de: Der Kollege Bell hat eben gesagt, Sie hätten bereits einen Kader mit Bundesliga-Niveau…

Wendling: …das ist ein nettes Kompliment. Aber ich sehe es etwas anders. Unser Kader mag für einzelne Duelle gegen Bundesligisten ausreichen. Aber dauerhaft sicher nicht. Wir haben elf oder zwölf gute Spielerinnen. Danach bekommen wir Probleme ab einem gewissen Niveau.

DFB.de: Sie haben im DFB-Pokal aber zwei Bundesligisten eliminiert.

Wendling: Davon lassen wir uns nicht blenden. Die Bundesliga hat ganz eigene Anforderungen. Da müssen wir noch etwas nachlegen. Es ist ja kein Zufall, dass die Aufsteiger jedes Jahr in große Abstiegsnöte geraten. Das ist ein gewaltiger Sprung. Da ist man schnell wieder auf dem Boden der Tatsachen zurück.

DFB.de: Sie sind erst seit knapp einem Jahr im Frauenfußball tätig. Wie kam es eigentlich dazu?

Wendling: Es war ein Zufall. Sand ist mein Dorf. Hier wohne ich, hier bin ich geboren. Jeder kennt mich. Mein Vater ist Gründungsmitglied dieses Vereins. Eigentlich wollte ich gar nicht mehr so viel machen. Aber ich habe die entsprechende Lizenz, und dann haben mich die Verantwortlichen gefragt und ich habe gerne zugesagt.

DFB.de: Ist es also eine Herzensangelegenheit?

Wendling: In gewisser Weise schon. Ich habe schnell gemerkt, dass es große Unterschiede zum Männerfußball gibt. Die Frauen müssen anders geführt werden und brauchen eine andere Ansprache. Die Mädels sind sehr motiviert, aber an anderen Stellen fehlt noch etwas.

DFB.de: Haben Sie die Erwartungen bereits übertroffen?

Wendling: Ja, wahrscheinlich schon. Aber ich habe schnell gemerkt, dass mit den Erfolgen auch die Ansprüche steigen. Wenn es mal nicht direkt rund läuft, werden die Zuschauer gerne mal unruhig.

(Quelle: www.dfb.de)
(Bilder: A2Bildagentur / Hartenfelser)

11.04.2014
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