Erfolgreiches Debüt in Oranje

Lange hat Jackie Groenen auf diesen Tag gewartet – und als sie fast mehr damit rechnete, klingelte vor einigen Wochen ihr Handy. „Jetzt ist es soweit“, waren die Worte ihres Gesprächspartners. Arjan van der Laan war der Mann am anderen Ende der Leitung, der Trainer der niederländischen Frauen-Nationalmannschaft. Der Bondscoach verkündete der FFC-Spielerin ihre erstmalige Nominierung für die Elftal. „Ich war gerade mit Lernen beschäftigt“, erinnert sich die kampfstarke Mittelfeldakteurin, die neben dem Fußball Jura studiert, an den Anruf. Nun ist es nicht so, dass 21 Jahre ein biblisches Alter für ein Länderspieldebüt wäre – Kerstin Garefrekes etwa absolvierte ihr erstes von 130 Länderspielen mit 22. Auf der anderen Seite ist Jackie Groenen schon eine gefühlte Ewigkeit im Frauenbereich aktiv: Bundesliga-Premiere mit 16 für die SG Essen-Schönebeck, Stammspielerin beim FCR 2001 Duisburg, Auslandserfahrung bei den Chelsea Ladies lauten die bisherigen Eckdaten ihrer Vita. „Vielleicht war es ja genau der richtige Zeitpunkt für die erste Nominierung“, sieht es die gebürtige Belgierin pragmatisch. Immerhin: Mit dem Olympia-Qualifikationsturnier, das der niederländische Verband KNVB Anfang März ausrichtet, und der Europameisterschaft 2017 stehen gleich zwei Highlights bevor. Aber dazu später mehr.

Die erste Station ihrer Karriere als A-Nationalspielerin führte Jackie Groenen in die Türkei – zu einem Trainingslager, das auch zwei Testspiele gegen Dänemark beinhaltete. Mit gemischten Gefühlen reiste die Debütantin an: „Auf der einen Seite habe ich mich natürlich gefreut. Aber auf der anderen Seite spürte ich eine gewisse Unsicherheit in mir. Man weiß ja nicht, was einen erwartet, wenn man zu einer eingespielten Mannschaft stößt.“ Immerhin: Einige Spielerinnen kannte Jackie Groenen noch aus ihrer Zeit in der U17-Auswahl und auch ihre ehemalige Duisburger Teamkollegin Lieke Martens sowie Dominique Janssen, die zwei Spielzeiten für die SGS Essen kickte, zählen zum niederländischen A-Kader. Doch nicht nur diese bekannten Gesichter bereiteten der „Neuen“ einen herzlichen Empfang: „Ich wurde von allen Spielerinnen toll aufgenommen und habe mich von Anfang an sehr wohlgefühlt“, erzählt Jackie Groenen. Ein Wiedersehen gab’s übrigens auch mit Sherida Spitse – jener Spielerin des LSK Kvinner, die im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League am Brentanobad zwei Elfmeter verschoss. Ob das noch ein Thema war? „Nein“, sagt Jackie Groenen. „Darüber haben wir nicht mehr gesprochen…“



Ein Mal am Tag bat Nationaltrainer Arjan van der Laan im Trainingscamp an der türkischen Riviera zum Training – „nur“ ein Mal. „Dafür hatten wir sehr intensive und ausführliche Besprechungen“, so Jackie Groenen, die in der Trainingssteuerung einige Unterschiede zur Arbeit beim 1. FFC Frankfurt ausmachte. Taktisch agiert auch die Elftal der Frauen im 4-3-3 – die alte niederländische Schule also, die auf den legendären Johann Cruyff zurückgeht. „Du spielst auf der Acht“, war die erste Anweisung an Jackie Groenen. Eine Ansage, die zunächst für Verwirrung sorgte. Doch die Niederländerin mit belgischem Pass ließ sich aufklären: „Was wir unter Doppel-Sechs verstehen, heißt in den Niederlanden Sechs und Acht – obwohl die beiden Positionen auf einer Höhe agieren.“ Und dann war es endlich soweit: Am 25. Januar stand der erste Test gegen die Däninnen (2:0) auf dem Programm und in der 65. Minute wurde Jackie Groenen für Sherida Spitse eingewechselt. Es war ein gelungenes Debüt: „Ich hatte viele Balleroberungen und konnte auch einige Akzente setzen“, so die Neu-Nationalspielerin. Eine Eigenwahrnehmung, die sich mit dem Urteil des Trainers deckte. Auf der Homepage des Verbands wurde Arjan van der Laan mit lobenden Worten für Jackie Groenen zitiert. Ein Highlight gab’s auch noch nach dem Abpfiff: Die Mannschaft überreichte dem neuen Teammitglied einen Wimpel des Verbands – in den Niederlanden so etwas wie eine Aufnahmezeremonie. Beim zweiten Test stand Jackie Groenen schließlich in der Startformation und erneut trug die Frankfurterin zu einem Erfolg bei (2:1).

Das Trainingslager diente als Vorbereitung auf das Olympia-Qualifikationsturnier, das Anfang März stattfindet. Die Nominierung hierfür steht zwar noch aus, aber dass Jackie Groenen dort zu weiteren Länderspiel-Einsätzen kommt, ist mehr als wahrscheinlich. Und so ist schon mal ein Blick nach vorne gestattet, zumal es im ersten Spiel gleich zu einem „FFC-Duell“ kommen wird: In Den Haag geht’s am 2. März 2016 gegen die Schweiz mit Ana-Maria Crnogorcevic. „Eine eingespielte Mannschaft mit vielen Spielerinnen aus der Bundesliga“, weiß Jackie Groenen um die Qualitäten der Nati. Auch Norwegen (5. März 2016/Rotterdam) und Schweden (9. März 2016/Rotterdam) sind im Frauenfußball beileibe keine Laufkundschaft. Und dennoch sieht Jackie Groenen die Gastgeberinnen keinesfalls als Außenseiter: „Wir treten an, um uns für Olympia zu qualifizieren – das ist unser klares Ziel. Und ich selbst mag solche Herausforderungen ganz besonders.“ Helfen könnte der Heimvorteil, schließlich ist im deutschen Nachbarland eine regelrechte Frauenfußball-Euphorie ausgebrochen. Eine fünfstellige Zuschauerzahl beim Champions-League-Spiel von Twente Enschede gegen den FC Barcelona ist der beste Beweis dafür. Warum plötzlich diese Begeisterung? „Der Verband tut sehr viel für den Frauenfußball“, weiß Jackie Groenen, „da laufen richtige Werbekampagnen.“ Auch im Hinblick auf die Europameisterschaft 2017, das nächste Highlight. „Daran denke ich jetzt aber noch nicht“, so Jackie Groenen, die sich weiterhin mit guten Leistungen im Verein empfehlen will. Und so sind ihre Ziele für das Jahr 2016 vielfältig: Mit dem 1. FFC Frankfurt in die Champions League, mit der Nationalmannschaft nach Rio – und das alles „step by step“…

(Bilder: Carlotta Erler)